Hans Lugner (1605-1685), Hofbesitzer in Obertiefenbach

Vieles von dem, was ich über meinen 8x-Urgroßvater Johann Lugner („Hanntz Lueger“) sagen kann, ist belegt. Anderes vermute ich nur oder habe es in meiner Vorstellung entwickelt. Einige neue Eindrücke sind kürzlich auf einer Reise zu den Orten, an denen Hans lebte, entstanden.

Geburtsjahr und Geburtsort

Sicher belegt ist, dass Hans, wie er allgemein genannt wurde, ein Sohn des Jacob Lugner ist, der 1610 von der Stadt Schlaggenwald die Neudorfer Berghöfe kaufte. So ist dies im Grundbuch des Ortes Neudorf (Nová Vés u Sokolova) angegeben.

Nicht ganz sicher ist, wann und wo Hans geboren wurde. Da er den Familienhof vom Vater übernahm, kann man davon ausgehen, dass er der älteste Sohn des Jacob war. Für seinen demnach jüngeren Bruder Clement (oder Clemens) lässt sich aus Kirchenbucheinträgen errechnen, dass dieser im Jahr 1608 geboren wurde. Somit dürfte Hans‘ Geburtsjahr auf etwa 1605 anzusetzen sein. Er wäre dann im Jahr 1629 – zum Zeitpunkt seiner Heirat und der gleichzeitig erfolgten Hofübernahme von Vater Jacob – 24 Jahre alt und damit volljährig und heiratsfähig gewesen.

Hans muss demnach als Kind im Jahr 1610 mit seinem Vater Jacob (und evtl. seiner Mutter) nach Neudorf gekommen sein und dürfte in Ebmeth, dem Herkunftsort des Vaters (der so im Grundbuch angegeben ist), geboren sein. Auch dieser Ort existiert wie so viele andere westböhmische Orte nicht mehr, die Matriken sind jedoch ab etwa 1630 erhalten und geben an, dass der Nachname der Familie „Lugner“ war. Auch die Flurnummerzuordnungen des 20. Jahrhunderts aus Obertiefenbach verzeichnen diesen Namen. Mundartlich hieß es jedoch auch „Lueger“ oder „Lugert“ und wurde häufig so in Dokumenten und Matriken geschrieben.

Kindheit und Jugend in Neudorf

Von Hans‘ Kindheit und Jugend wissen wir nichts, doch gibt das Grundbuch für Neudorf an, dass Hans im Jahr 1629 heiratete und den Hof des Vaters übernahm. In Neudorf wuchs Hans somit ab 1610 auf dem Drei-Achtel-Hof des Vaters auf, der die in Plänen des 20. Jahrhunderts aufgeführten Hausnummern 94/95 und 58/59 umfasste und nahe der Kirche in Richtung Schönfeld und Tiefenbach lag.

Blick auf die Neudorfer Kirche (2020), der Hof 94/95 befand sich auf der linken Seite der Straße

Aus Grundbuchangaben wissen wir, dass sich das Hofgelände 94/95 an der alten Landstraße Neudorfs (Willausenweg genannt) befand. Zum Hofbesitz gehörte damals auch die heutige Hausnummer 58/59, in deren Richtung man schaut, wenn man über den See blickt.

In Neudorf verbrachte Hans seine Lebensjahre bis mindestens 1642. Danach verließ er den Ort und zog nach Obertiefenbach, wo er im Jahr 1645 den Hof Obertiefenbach 7 kaufte, der bis zur Aussiedlung der Sudetendeutschen im Besitz der Lugners (oder Lugerts) blieb. Letzter Besitzer war 1945 ein Franz Lugner (Lugert).

Hans übernimmt den unteren Berghof

Jacob, Hans‘ Vater, war überzeugter Protestant und weigerte sich, im Rahmen der in den 1620-er Jahren einsetzenden Rekatholisierung zu konvertieren. Daher musste er nicht nur seinen Hof abgeben, sondern auch den Ort verlassen. Es ist davon auszugehen, dass Jacob keinen Besitz mitnehmen durfte. Und so verkaufte er im Juli 1629 seinen Drei-Achtel-Hof (spätere Hausnummern 94/95 und 58/59) an Sohn Hans zum Preis von 600 Gulden. Mit dem Hof wurden 3 Pferde, 1 Kuh, 3 Kälber, 3 feurige Kälber, 2 Ziegen, 3 Schweine und alles Haus- sowie Ackergerät verkauft.

Mit der Hofübergabe waren verschiedene Pflichten verbunden. Zum einen musste Hans dem Vater den Hofpreis in Raten abbezahlen und dessen Schulden abtragen. Solche Schulden entstanden regelmäßig, wenn ein Hofeigner sich Geld lieh oder selbst den Kaufpreis, der ihm vorher entstanden war, noch nicht vollständig bezahlt hatte. Die fälligen Kaufpreisraten hätte Hans an den Vater als Verkäufer und an die so genannten „alten Erben“ zu zahlen. Zu diesen gehörten in der Regel auch Geschwister oder Schwäger*innen der Eltern. Hinzu kämen Zahlungen an die „neuen Erben“ – in der Regel des Käufers Geschwister. Und so ist Auflage für Hans Lugner, dass dieser nach dem Tod des Vaters seine in Schönfeld wohnenden Brüder Clemens und Caspar sowie die Schwestern mit ihren Ehemännern auszahlt. Die Schwestern sind: Ursula (verheiratet mit Andreas Hubl, Neudorf), Gertraud (verheiratet mit Matthias Schmiedl, Neudorf) und Susanna (verheiratet mit Johann Grünes, Neudorf, später Untertiefenbach). Nach Jacobs Tod musste Hans auch die Heiratsgelder an seine Geschwister auszahlen. Er erfüllte diese Pflichten gewissenhaft und wirtschaftete zeitlebens erfolgreich.

Der Vater – Jacob – bedingte sich zudem aus, dass er freie Unterbringung und Herberge für sich und seine Frau „auf ihr lebtag“ erhalte, so er „über kurz oder lang sich auß begnadung der obrigkeit oder durch annehmung der religion wieder zur stell komben und [sich] bei dem seinig aufhalden wolte“. Letzteres trat jedoch nicht ein, Jacob kehrte nie nach Neudorf zurück. Wieso dagegen Sohn Hans im Ort Neudorf bleiben durfte, kann nur so erklärt werden, dass dieser zum katholischen Glauben konvertiert war. Bis 1642 bewirtschaftete er in Neudorf den unteren Berghof. Am 11 Juli 1642 verkaufte er dann den Hof, der genau 32 Jahre im Besitz der Familie gewesen war, an Martin Stowasser. Warum er sich dazu entschloss, den großen Hof zu verkaufen, kann nur vermutet werden.

Man darf nicht vergessen, dass der im Jahr 1648 endende 30-jährige Krieg großes Leid für die Bevölkerung der Region mit sich gebracht hatte und dass sowohl schwedische als auch kaiserliche Truppen wechselnd die Ortschaften besetzt hatten. Historisch von mir zwar nicht überprüft, war auch Neudorf mit Sicherheit den Plünderungen und der wechselvollen Geschichte des Landes ausgesetzt. Auch kann man sich fragen (wenn auch reine Vermutung), ob Hans eventuell Zielscheibe von Ressentiments innerhalb des dann wieder katholischen Ortes blieb. Immerhin hatte sich sein Vater Jacob auf eine Konvertierung nicht eingelassen und deshalb den Ort im Jahr 1629 verlassen. Wir wissen letztendlich nicht, wie sich die Veränderungen im religiösen Bereich auf das soziale Gefüge in den Ortschaften auswirkte und welche Feindschaften dadurch eventuell entstanden. Es ist bekannt, dass viele Protestanten auch weiterhin heimlich an ihrer Religion und damit verbundenen Riten festhielten. Hans‘ Bruder Clement kam 1645 in Schönfeld gewaltsam zu Tode, der Grund ist leider nicht in den Matriken festgehalten.

Es gibt jedoch einen weiteren möglichen, harmloseren und – betrachtet man das Gelände – recht einleuchtenden Grund für einen Umzug von Hans, nämlich die Lage seines Hofs am Neudorfer See. Dessen Umgebung war von dem Sumpfgebiet rund um den Neudorfer See geprägt, das sich noch heute als Mückenparadies präsentiert. Man kann davon ausgehen, dass zusätzlich die Gefahr von Überflutungen bestand. Heutige Anwohner berichten, dass das Gelände rund um den See von Ab- und Zuflüssen geprägt ist und dass die Keller der Gebäude zum Teil nicht vor eindringendem Wasser geschützt sind. Es soll sogar ein Haus geben, in dem eine Art Bach oder Kanal im Keller eingefasst wurde, um eindringendes Wasser abfließen zu lassen.

Umzug nach Obertiefenbach

Hans entschloss sich schließlich – aus welchen Gründen auch immer – zum Umzug. Das Obertiefenbacher Grundstück mit dazugehörigen Weiden und Äckern, das Hans im April 1645 zusammen mit dem darauf liegenden Hof von dem verschuldeten Lorenz Zimmermann kaufte, lag wesentlich idyllischer. Man kann den Standort auch heute noch zuordnen, obwohl die Ortschaft nicht mehr existiert und nur noch die Ruine einer Mühle im Wald zu erkennen ist.

Der Weg von Obertiefenbach in Richtung Neudorf

Der Lugner-Hof mit der Hausnummer Obertiefenbach 7 lag an einer Art Kreuzungspunkt für die Ortschaften Schönfeld, Neudorf und Untertiefenbach. Er kann durchaus als Mittelpunkt der damaligen Familie Lugner angesehen werden, denn in den umliegenden Ortschaften lebten laut Grundbucheinträgen die verheirateten Geschwister von Hans. Und ich kann nicht umhin, mir in meiner Vorstellung auszumalen, wie sich die Familie in Obertiefenbach zu Festen und Familienfeiern traf.

Schwester Susanne war eine verheiratete Grünes (früher Krineß geschrieben), sie hatte zuerst mit ihrem Mann Johann auf dem Neudorfer oberen Berghof (in direkter Nachbarschaft zum unteren Berghof und somit zu Bruder Hans) gewohnt, lebte aber ab 1636 in Untertiefenbach. Es ist nicht weit von Untertiefenbach zum ehemaligen Obertiefenbach. Der etwa zwei Kilometer lange Weg verläuft heute auf ebener Strecke und man kann dort schön spazieren. Er ist jedoch als nur anfangs befestigter Feldweg nicht gut mit dem Wagen befahrbar.

Die Brüder Clement und Caspar waren im über den Bergweg erreichbaren Schönfeld verheiratet. Die Entfernung bis zur Schönfelder Kirche beträgt von Obertiefenbach etwa zwei Kilometer. Hinunter ins Tal nach Obertiefenbach gelangt man heute zu Fuß über einen nicht mehr sehr gut zu findenden Weg von der Kreuzung Flößgraben und Abbiegung zum Aussichtsturm (Wegeslänge ab da etwa ein Kilometer). Der Anfang befindet sich auf Kuhweiden, anschließend muss man in den Hohlweg hinabsteigen, der am Ende über eine große Wiese hinunter verläuft.

Schwester Gertraudt wohnte mit ihrem Ehemann Matthias Schmiedl weiterhin in Neudorf – wie auch Schwester Ursula, die dort mit Andreas Hubl verheiratet war. Wendet man sich vom Obertiefenbacher Hof in Richtung Wald, kann man beschaulich durch Wald, Lichtungen und über Bäche bis Neudorf wandern und erreicht dort nach Wegeslänge von etwa drei Kilometern den Neudorfer Friedhof.

Der Obertiefenbacher Hof befand sich auf einem Eckgrundstück an einer Straße zum Leitenbach, der unweit vom Hof durch das Tal fließt.

Blick auf die ebenen Flächen vor dem Leitenbach, der im Hintergrund im Wäldchen entlang fließt

Gegenüber der Hofstelle (in Richtung Schönfeld) liegt eine Anhöhe, auf der im früheren Obertiefenbach etwa zehn Höfe angesiedelt waren. Viele Flurstücke auf diesem Hang, wie auch einige näher am Hof oder im Wald gelegene Flächen gehörten jedoch zum Lugner-Hof, wie man auf historischen Flurkarten sehen kann. (Auf der Weide sieht man einige Spuren, die dem Weg nach Schönfeld entsprechen und unten im Tal direkt an der Stelle enden, an der ich den Hof Obertiefenbach 7 vermute.)

Weiden oberhalb des ehemaligen Ortes Obertiefenbach
Blick auf das Tal des ehemaligen Ortes Obertiefenbach (von Schönfeld kommend)

Heirat und Kinder des Hans Lugner

Bereits im Jahr 1629 hatte Hans in Neudorf geheiratet. Ich erinnere daran, dass er laut Grundbuch in diesem Jahr sein Heiratsgeld vom Vater erhielt. Seine Ehefrau hieß Maria, es ist jedoch nicht bekannt, aus welcher Familie sie stammte. Bislang sind zwei seiner Kinder bekannt.

Am 14 Oktober 1632 kam Tochter Margaretha zur Welt, die in Schönfeld getauft wurde. Sie heiratete später nach Schönthal und verstarb dort als Margaretha Eckert am 28 Juni 1711. Mit ihrem Ehemann Hans hatte sie zehn Kinder.

Ein Sohn namens Michael ist um 1650 – wohl in Obertiefenbach 7 – geboren. Er heiratete 1683 in Grün Eva Breitfelder. Am 25 Juni 1685 übernahm Sohn Michael den Hof von Vater Hans, der zu diesem Zeitpunkt noch am Leben gewesen zu sein scheint. Bereits ab 1686 jedoch taucht Hans nicht mehr als Zahlungsempfänger im Grundbuch auf – wovon man ableiten kann, dass er nach einem erfüllten Leben im Jahr 1685/1686 in Obertiefenbach 7 verstorben war.

Patenschaften

Hans scheint ein einflussreicher und bekannter Bauer der Region gewesen zu sein. Neben mehreren Einträgen im Grundbuch, die belegen, dass sowohl er als auch sein Bruder aus Schönfeld vielen Dorfbewohnern Geld geliehen haben, sind einige Patenschaften in umliegenden Ortschaften verzeichnet.

1645 übernimmt Hans zusammen mit Maria Stowasser und Justina Mayer die Patenschaft für Justina Kegut (Kohut). In Schönthal, dem Wohnort seiner Tochter, ist Hans Lugner im Jahr 1661 als Pate für Johann Schmiedl verzeichnet. Und 1667 ist Hans im Mai Pate für Johannes, den Sohn des Johann Krautner in Frohnau.

Namensgebung für Hans und seine Nachkommen

Zum Nachnamen: Ich habe Hans in meiner Stammbaumdatenbank (Link siehe unten) als Johann „Hans“ Lugner bezeichnet, obwohl er in Amtsbüchern und Matriken mit Nachnamen auch Lu(e)ger oder Luger(t) heißt. Hans ist ein Vorname, der in der Region um Neudorf im 16. und 17. Jahrhundert häufig in Matriken und Amtsbüchern zu sehen ist. Der Name ist eine Kurzform für Johann oder Johannes und hebräischer Herkunft. Die Bedeutung ist „Gott ist gnädig“ oder „Gott ist gütig“. Der Vorname Johann blieb bis zu meinem Großvater in der Familie gebräuchlich. Zeitweilig wurde er in der Region in Verbindung mit einem weiteren Namen wie Andreas, Michael, Georg oder Franz verwendet.

Hans‘ Stammbaum

Hans‘ Lebensdaten und Stammbaum findet sich auf meiner Website zur böhmischen Familienforschung.

Quellenangaben:
1) Nova Ves (Neudorf), 1600-1779, Altes Grundt Buch, 10 ff. www.portafontium.eu.
2) Matrikel für Nova Ves (Neudorf), Tiefenbach (Dolny/Horní Hluboká) und Krásno (Schönfeld). www.portafontium.eu