Kirchengeschichte: Der Bau der Neudorfer Kapelle (1702-1709)

Die Neudorfer Kapelle war der Vorläufer der Neudorfer Pfarrkirche zur Heiligen Dreifaltigkeit, zu der sie ab 1732 erweitert wurde. Die folgenden Angaben zu ihrer Errichtung sind der privaten Chronik des Johann Peter Pichl entnommen, der ein Enkel des Kapellenstifters war und seine Erinnerungen im Jahr 1805 im Alter von 74 Jahren aufgeschrieben hat. Johann Peter Pichl berichtet, er habe die Informationen nicht direkt von seinem Großvater erhalten, weil er erst viereinhalb Jahre alt gewesen sei bei dessen Tod [korrekt wäre: dreieinhalb), doch die Großmutter, die am Ende blind gewesen sei, habe ihm dies alles erzählt, wenn er wie üblich am Dienstag bei ihr saß, um zu Ehren der heiligen Mutter Anna mit ihr zu beten. Der Großvater selbst habe viele Dokumente hinterlassen und vieles schriftlich überliefert, vor allem zum Einkauf der Materialien des Kapellenbaus.

Ich bitte zu beachten, dass das Beitragsbild nicht die Kapelle darstellt!

Das Gelübde des Johann Pichl aus dem Hof Neudorf 11

Da Johann Pichl, Bauer aus dem Hof Neudorf 11, über lange Zeit mit seiner Gemahlin Margaretha Herget aus Sangerberg keine Erben gezeugt hatte, gelobte er, dass er ein Opfer zu Ehren der Heiligsten Dreifaltigkeit bringen werde, wenn ihn Gott mit einem Erben segnen würde. Tatsächlich kamen in den folgenden Jahren zwei Söhne zur Welt, nämlich Franz Pichl im Jahr 1698 (errechnet aus Altersangaben zum Zeitpunkt seines Todes am Neujahrstag 1758) und Anton Pichl um das Jahr 1700.

Johann Pichl hielt daraufhin sein Versprechen und beschloss, eine Kapelle zu Ehren der Allerheiligsten Dreifaltigkeit und der Krönung Mariens für die Gemeinde Neudorf zu stiften. Die Kapelle wurde ab 1702 an der Stelle der heutigen Neudorfer Kirche (die eine Erweiterung der Kapelle ist) erbaut.

Im Ort war man angetan von Johanns Vorschlag, und es fanden sich mehrere Unterstützer. Johann selbst hatte bereits Steine für die Grundmauer auf die Baustelle geschafft und 2 Pferde und 2 Ochsen mit den notwendigen Geschirren für den Transport gekauft. Die Neudorfer halfen mit Fuhren aus, und auch in den Folgejahren benötigte Johann Pichl die Unterstützung der Neudorfer Bürger für die Zuführung der Steine durch Fahrten mit Zugvieh – was sich aber in manchen Jahren aufgrund von Notzeiten und Futtermangel schwierig gestaltete.

Die Genehmigung zum Kapellenbau

Erst nachdem im Mai 1702 bereits mit den Grabungsarbeiten für die Grundmauern des Langhauses angefangen worden war, begab sich Johann Pichl, der Kapellenstifter, nach Petschau und bat um Genehmigung des Vorhabens durch den Reichsgrafen Johann Adam von Questenberg. Der zuständige Beamte versicherte ihm, das Vorhaben werde gewiss genehmigt werden. Doch auch die geistliche Behörde müsse zustimmen. So holte Johann Pichl auch diese ein. Der damalige Pfarrer, Benedikt Gabriel aus dem Orden des heiligen Norbert, empfahl, vor der offiziellen Anfrage für die Kapelle eine Morgengabe zu spenden, um die Kapelle in der Zukunft erhalten zu können. Nach Rücksprache mit seiner Gemahlin Margaretha spendete Johann Pichl hierfür ein Stück Wiese und ein Stück Feld, gegen Lauterbach gelegen. Daraufhin erhielt der Stifter die Baugenehmigung – sowohl von seiner Exzellenz als auch vom hochwürdigen Konsistorium in Prag.

Die Kapellengröße

Ursprünglich hatte man geplant, die Kapelle in einer Größe für etwa 150 bis 200 Personen zu erbauen. Nachdem sich jedoch die leiblichen Brüder Johann Böhm (Neudorf 50) und Kaspar Böhm (Neudorf 81) erboten hatten, zwei Seitenaltäre zu stiften, musste die Kapelle größer gestaltet werden. Letztendlich konnte sie 500 Personen fassen, was jedoch bedeutete, dass sehr viel mehr Baumaterialien vonnöten waren. Und bereits ab 1732 erweiterte man die Kapelle erneut zur heute noch vorhandenen Kirche.

Die Baujahre 1702 bis 1705

In den Jahren nach 1702 wurde das Mauerwerk für Langhaus und Presbyterium (= Chor) erstellt und sämtliche Türlücken angelegt. Eine Tür war hinter dem Altar vorgesehen, eine weitere in der Seitenmauer des Presbyteriums (die – wie Johann Peter Pichl, der Enkel des Kapellenstifters, 1805 berichtet – in der späteren Kirche noch zu sehen ist). Eine weitere ging in das Langhaus hinein in Richtung des Hochaltars, eine vierte Tür gab es an der Stelle, an später in der Kirche die Kanzel an die Wand gelehnt war. Die Länge der Kapelle wird von Johann Peter Pichl so beschrieben: Sie reichte von der heutigen Sakristei bis zu der heutigen Seitentür der Neudorfer Pfarrkirche.

Ab Mai 1704 wurde das Dach zum Teil aufgestellt, wofür viele Balken und Stämme notwendig waren. An Baumaterialien wurden weiterhin Tausende von Schindeln bereitgestellt. Dazu kamen 3.000 Ziegel zur Auslegung der Kirchenfenster. Die Jahre 1704 und 1705 brachten schlechte Ernten und eine Teuerung des Getreides mit sich. Die Dorfbewohner waren, da ihnen das Futter fürs Vieh fehlte, nicht mehr bereit, Steine anzufahren. Um den Bau vorantreiben zu können, ging die Gemahlin des Stifters von Haus zu Haus, um die Leute persönlich um Hilfe zu bitten. Endlich waren die Taglöhner bereit zu helfen, nachdem sie etwas Mehl und Getreide und einige Laib Brot erhalten hatten. Den ärmeren Bauern spendete Johann Pichl Hafer für das Vieh, und die Zimmerleute wurden nach Auflegen des Dachstuhls auf dem Presbyterium im Jahr 1705 mit Bier und gebratenem Fleisch bewirtet.

Die Baujahre 1706 bis 1708

Johann Peter Pichl berichtet, wie sehr sich sein Großvater freute, als das Presbyterium 1705 den Dachstuhl erhalten hatte. Aber schon 1706 stockte der Bau erneut. Und erst im Juni 1707 wurde der Dachstuhl auf das Langhaus gehoben. Nun war die Kapelle wie geplant hergestellt, da wünschte sich der Stifter Johann Pichl noch eine Sakristei hinter dem Altar. Der Maurermeister bedauerte, dass diese nicht gleich von Anfang an vorgesehen worden war. Das mache die Ausführung schwierig. Dennoch wurde der Plan ausgeführt und anschließend mit dem Innenputz begonnen, der 1708 zu Ende gebracht wurde. Der Boden der Kapelle wurde darauf noch mit gebrannten Ziegeln gepflastert, wofür weiterer Sand und Kalk herangeführt wurden.

Im Jahr 1708 war die Kapelle fertiggestellt, wenn auch die Ausstattung, auf die an anderer Stelle eingegangen werden soll, noch fehlte. Die folgende Zeichnung von Augustin Faber, die erst im 19. Jh. erstellt wurde, könnte zeigen, wie sie ausgesehen haben mag. Die Zeichnung ist in der Neudorfer Ortschronik enthalten. Vergleicht man das Foto der späteren Neudorfer Kirche (rechts) mit der Kapelle, kann man gut noch den Anbau der Sakristei (auf dem Kapellenbild ganz links zu sehen) und das Presbyterium erkennen. Angebaut bzw. erweitert wurden der auf dem Foto rot gedeckte Kirchenteil (ab 1732) und der Turm (ab 1764).

Kapelleneinweihung am 1 März 1709

Zur Einweihung war der Boden noch nicht vollständig, und es fehlte an Kirchengerät. Doch das hielt Johann Pichl nicht ab. Im Februar 1709 war es im Februar schon warm und frühlingshaft. Johann Pichl ersuchte den Petschauer Pfarrer daher, die neue Kapelle am ersten März (dem Fest des heiligen Albin) einzuweihen. Der Pfarrer schrieb dem Vikar in Falkenau, er solle die Einweihung übernehmen. Er selbst werde die Predigt halten. Der Vikar stimmte zu, und so wurde die Kapelle am 1 März 1709 mit einer Predigt und einem Hochamt eingeweiht. Beamte aus dem Petschauer Schloss waren eingeladen. Musiker aus Petschau spielten mit Pauken, Trompeten und anderen Musikinstrumenten, und nach der Einweihung bewirtete der Stifter Johann Pichl die Priester, Beamten und Musiker in seinem Haus mit einem Mittagsmahl. Den Priestern zahlte er einige Taler für ihre Bemühungen.

Der Petschauer Pfarrer kam nach der Einweihung öfter nach Neudorf (besonders nach 1725, als die Donawitzer Filiale aus Petschau ausgegliedert wurde – so heißt es in der Chronik). Er starb jedoch am 15 Mai 1728 am Vorabend von Pfingsten, woraufhin Kaplan Pater Lambert Schusser die Messen übrenahm. Er war fortan Pfarrer in Petschau und setzte sich für die Einrichtung der Neudorfer Bruderschaft der Heiligsten Dreifaltigkeit und der Krönung Mariens ein. Dieser Bruderschaft gehörten viele Neudorfer an, die im Gegenzug für ihre Beiträge Ablasstafeln erhielten. Zur Einführung der Bruderschaft im Jahr 1730 kamen 12 geistliche Herrren und der Graf von Questenberg persönlich nach Neudorf.

Johann Pichl und seine Ehefrau Margaretha wurden nach ihrem Tod in der Kapelle begraben.

Quellenangabe:
Pichl, Johann Peter: Private Chronik zum Bau der Neudorfer Kapelle und Kirche. Neudorf, 1805. [Soukromá kronika. Osobní pozůstalost A. Pichla Nová Ves (o Becov). www.portafontium.eu]